Hinweis: Diese Seite ist Teil der RS-125-Werkstattseite meines Internetblogs und steht mit dem Hersteller (Aprilia/Piaggio) in keiner Verbindung. Es handelt sich hier um selbst verfasste Reparaturanleitungen, Hinweise, Tipps und Tricks zur alten Aprilia RS 125 mit Zweitaktmotor bis Baujahr 2012. Dieses Blog wird privat ohne kommerziellen Hintergrund und Nutzen betrieben. Jegliche Haftung für jegliche Schäden, die sich aus den hier veröffentlichten Anleitungen und Daten ergeben könnten, ist generell ausgeschlossen.
Die Aprilia RS 125 gab es mit zwei Motoren. Die ersten Modelle der RS 125 von 1993 bis 1997 wurden mit einem Rotax 123 ausgestattet. Diesen gab es in ähnlicher Form schon seit 1988 in der AF1, dem Vorgänger-Modell der RS 125. Mit dem MP-Modell wurde 1997 der Rotax 123 durch den Rotax 122 ersetzt, der bis zu den letzten Zweitakt-125er-Modellen verbaut wurde.
Die technischen Daten der Motoren unterscheiden sich nicht, die Getriebeübersetzungen aller Gänge und viele Kennzahlen sind identisch:
- Hubraum: 124,82 cm³
- Bohrung: 54 mm
- Hub: 54,5 mm
- Verdichtung: 12,5 ± 0,5 :1
Die Übersetzung des Primärtriebs (Zahnrad an der Kurbelwelle auf die Verzahnung an der Kupplung) beim Rotax 123 beträgt 20/64, beim Rotax 122 sind es 19/63. Ein Motorrad mit Rotax 123 ist damit bei gleicher Drehzahl, Gang und Ketten-Übersetzung um 3,6 % schneller als eines mit Rotax 122.
Der wohl größte, relevante Unterschied besteht bei Wartungsfreundlichkeit und Ersatzteilverfügbarkeit. Für den alten Motor sind etliche Teile nicht mehr neu erhältlich.
Elektronik und Zündsystem
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Motoren ist das verbaute Zündsystem, hier gibt es keinerlei Kompatibilität zwischen den Motoren. Einzige Gemeinsamkeit ist der Zusammenhang zwischen Motordrehzahl und Frequenz des generierten Wechselstroms, womit die elektronische Auslasssteuerung gesteuert wird.
Rotax 122
Im Rotax 122 ist eine Kondensator-Zündanlage vom Hersteller „Nippondenso“ verbaut.
Die Erfassung von Kurbelwellen-Position und Drehzahl erfolgt über einen kleinen Induktionsgeber an der Seite des Polrades, dieser erfasst die drei Bohrungen und die Erhöhung auf der Seitenfläche des Polrades. Der Zündfunke wird über eine herkömmliche Zündspule erzeugt, die an eine CDI angeschlossen ist.
- Polrad Nippondenso: 37000-3460 10SX
- Induktionsgeber: 10SX
- Lichtmaschinenstator: 10SX, Drehstrom
- Zündspule: Denso 129700
Die Firma Nippondenso hat sich 1996 nach Denso umbenannt.
Die neueren Modelle nutzen am Motor die selbe Elektronik, haben allerdings eine andere CDI (EFI Technology).
Rotax 123
Der Motor nutzt eine integrierte Magnetzündung des Herstellers SEM aus der schwedischen Stadt Åmål (Daher die Beschriftung „Åmål SEM Sweden“).
Das Polrad mit innenliegendem Stator und die Zündeinheit mit Zündspule bilden eine zusammengehörende Einheit. Es ist keine weitere Zündelektronik außerhalb des Motors vorhanden. Ein funktionierender Stator ist als Ersatzteil bereits schwer zu bekommen, sollte es zu einem Defekt kommen.
- Polrad: SEM Typ K 101 799
- Stator: SEM, WG-Ausführung, Wechselspannung
- Zündspule SEM TM14-04 101 888 00
Von dieser Zündung gibt es mehrere Varianten, unter anderem mit und ohne Zündverstellung (bei der RS 125 nicht verbaut). Die Variante ohne Zündverstellung hat eine schwarze statt blaue Zündspule und eine aufgedruckte Skala auf dem Stator. Für das Einstellen der Zündung über die Skala hat der Rotor durchgehende Bohrungen mit einem Zeiger, sonst sind die Löcher verschlossen.
Die unterschiedlichen Zündungen haben unterschiedliche Zündkurven, wobei der Rotax 123 im Standgas bis zum Anfahren bei 4.000 1/min deutlich früher zündet. Die Zündkurven bei den neueren Steuergeräten des Rotax 122 unterscheiden sich kaum von der dargestellten Kurve.
Die wenig frühere Zündung im höchsten Drehzahlbereich wird vermutlich für die leicht höhere Leistung des Rotax 123 verantwortlich sein.
Zylinder und Kurbelgehäuse
Die Positionen der beiden Bohrungen zur Befestigung des Zylinders am Motorgehäuse unter dem Auslass sind zwischen den Zylindern von Rotax 122 und Rotax 123 unterschiedlich, der Abstand der Stehbolzen bzw. der Bohrungsabstand ist bei den Rotax-122-Zylindern größer.
- Rotax 123: Stehbolzenabstand 82 mm
- Rotax 122: Stehbolzenabstand 96 mm
Die Zylinder der neueren Rotax-123-Version und dem Rotax 122 lassen sich durch Auffräsen der Langlöcher untereinander tauschen.
Den Rotax 123 selbst gab es in mehreren Ausführungen, die sich in der Gehäusebauform leicht unterscheiden. Es gibt den Motor mit und ohne zusätzlichen Stützkanal von Einlass zu Kurbelwellengehäuse.
Dieser Stützkanal wurde bereits beim Rotax 123 eingeführt und ist daher kein Unterschied zwischen den beiden Motoren.
Unterschiedliche Zylinder
Die Zylinder unterscheiden sich neben dem schon erwähnten Bohrungsabstand möglicherweise auch am zusätzlichen Kanal an der Unterseite vom Ansaugstutzen zum Kurbelgehäuse, welcher beim Rotax 123 erst bei neueren Modellen vorhanden war und beim Rotax 122 immer vorhanden ist.
Kurz und knapp: Es gibt drei verschiedene Zylinder auf der RS 125:
- 223616 (220D) mit Gilardoni-Schriftzug ohne Stützkanal für Rotax 123
- 223616 (220D) mit aprilia-Schriftzug mit Stützkanal für Rotax 123
- 223618 (220H) mit aprilia-Schriftzug mit Stützkanal für Rotax 122
Diese Zylinder unterscheiden sich in
- Bauform des Sockels
- Position der beiden Bohrungen an der Zylinderunterseite Auslassseite
- Zusätzlicher Stützkanal
- Steuerzeiten eines Überstromkanals
Andere Modelle (Cross-Maschinen, Sport-Pro-Versionen oder die Varianten für die Schweiz) haben noch weitere Zylinder, die in einer separaten Liste aufgeführt sind.
Ältere Zylinder mit Gilardoni-Schriftzug (Nur Rotax 123)
Auf den älteren Rotax-123-Motoren mit dem Gehäuse ohne Stützkanal wurden Zylinder mit Aufschrift „Gilardoni 1“ oder „Gilardoni 2“ am Sockel und der Nummer 223616 verbaut. An manchen ist auch die Kennung 220D aufgebracht. Es gibt keinen Unterschied zwischen Zylindern mit Gilardoni-1- oder Gilardoni-2-Beschriftung.
Diese Zylinder ohne aprilia-Schriftzug haben keinen Stützkanal. Diese Zylinder können nicht sauber auf dem Rotax 122 montiert werden, da die Löcher nach außen hin auf gefräst werden müssten, hier ist aber nicht genug Material vorhanden.
Rotax 123: Zylinder mit aprilia-Schriftzug
Zylinder mit der Nummer 223616 (220D) und einem „aprilia“-Schriftzug am Sockel haben den zusätzlichen Stützkanal für das neue Gehäuse und sind für das neue Motorgehäuse gedacht. Die Zylinder lassen sich mit den alten Zylindern mit Gilardoni-Schriftzug am Sockel tauschen, man riskiert allerdings Falschluft durch die kleine Dichtfläche.
Die Sockel der Zylinder mit aprilia-Schriftzug sind breiter und entsprechen dem des Rotax 122, die Bohrungen sind nach wie vor passend für den Rotax 123, der Abstand zwischen den Bohrungen an der Auspuff-Seite beträgt weiterhin 82 mm. Die Unterschiede an den Gussformen sind von außen gut sichtbar.
Rotax 122
Auf den Rotax 122 wird der Zylinder mit der Nummer 223618 (220H) verbaut. Auch hier gibt es wieder Beschriftungen „Gilardoni 1“ und „Gilardoni 2“, nun an der Seite des Membrankastens, die Zylinder sind jedoch identisch. Es gib den Zylinder allerdings auch ohne das Langloch für die Auslasssteuerung.
Der wesentliche Unterschied zu den Zylindern des Rotax 123: Der mittlere Überstromkanal ist beim Rotax 122 um 1 mm nach oben versetzt. Die Bohrungen an der Unterseite an der Auslassseite haben einen Abstand von 96 mm.
Die Bohrung für die RAVE2 wurde bei den Zylindern für den Rotax 123 nachträglich verschlossen, während sie bei den Zylindern des Rotax 122 nicht mehr vorhanden war.
Neuere Zylinder des Rotax 122 haben M8-Gewindebohrungen zur Verschraubung des Brennraumdeckels anstelle der M7-Stehbolzen.
Kupplung
Die Übersetzungen von Kurbelwelle zur Kupplung sind unterschiedlich, dementsprehcend unterscheiden sich die Verzahnungen. Auch die Aufnahme auf der Getriebewelle hat einen anderen Durchmesser. Beim Rotax 123 wird der Kupplungskorb auf der Getriebeeingangswelle verschraubt, beim Rotax 122 liegt der Kupplungskorb nur auf und ist so einfacher zu demontieren (An einige Teile kommt man nur heran, wenn man die Kupplung demontiert).
Es gibt beim Rotax 123 je nach Alter verschiedene Kupplungskörbe, bereits bei der neueren Version des Rotax 123 kann eine Kupplungslamelle versetzt montiert werden.
Folgende Teile der Kupplung sind bei Rotax 123 und 122 identisch:
- Stützteller (mit den 6 Stäben, der die Kupplung zusammenzieht)
- Kupplungsfedern
- Lamellen und Reibscheiben
- Druckplatte und Stütztellerführung
Vergaser
Auch wenn dieses Teil nicht direkt zum Motor gehört, so wurde der Rotax 123 meistens mit einem 34-mm-Vergaser, dem Dell Orto VHSB 34, ausgestattet. Der Rotax 122 wurde erst mit dem Dell Orto PHBH 28 oder PHBL 24, später mit einem VHST 28 mit TPS (Throttle Position Sensor) ausgestattet.
Die Anschlüsse für die Ansaugstutzen sind bei allen Zylindern an den Motoren identisch, sodass man diese untereinander austauschen kann. Dabei ist lediglich zu beachten, dass es unterschiedliche Ansaugstutzen für den 34-mm- und den 28-mm-Vergaser gibt.
Drehzahlmessung
Rotax 122
Die Drehzahl wird elektronisch gemessen, der Drehzahlmesser ist an die Leitung zur Zündspule angeschlossen. Obwohl die Instrumenteneinheit beim Wechsel von Rotax 123 auf 122 äußerlich identisch aussieht, wurde damit auch ein anderer Drehzahlanzeiger verbaut.
Neuere Modelle (Ab 2006) erfassen die Geschwindigkeit ebenfalls Digital über einen Sensor an der Hinterradbremse.
Rotax 123
Eine Drehzahlmesserwelle wird über Kunststoffzahnräder angetrieben, die auch die Ölpumpe antreiben, der Drehzahlanzeiger ist mechanisch. Ist man beim Ausbau des Motors unachtsam, kann die Antriebswelle für die Drehzahlmesserwelle brechen, da sie sehr ungünstig in der Nähe der Motorhalterungen platziert ist. Diese Welle ist als Ersatzteil nicht mehr neu erhältlich. Bei Motorrädern mit Rotax 123 gibt es ausschließlich mechanische Zeigerinstrumente, jedoch zwei verschiedene Tacho-Baugruppen bei den ersten RS-125-Modellen. Späte Modelle mit Rotax 123 verfügen bereits über eine digitale Temperaturanzeige, der Drehzahlmesser ist weiterhin mechanisch.
Halterungen am Rahmen
Während der Abstand zwischen der vorderen Motorhalterung und der Durchführung der Schwingenachse identisch blieb, hat sich die Aufnahme unterhalb der Schwingenachse beim Rotax 122 nach vorne verschoben. Ein Motortausch ist damit nicht ohne weiteres möglich. Während man den Rotax 122 noch ohne Sägen und Feilen in die alten Rahmen einbauen könnte, passt der Rotax 123 nicht in den neuen Rahmen.
Ein Umbau oder Tausch des Motors in den jeweiligen anderen Rahmen ist jedoch völlig sinnfrei: Ein solcher Umbau muss eingetragen werden und ist enorm aufwändig, zudem gibt es eben die passenden Rahmen für die passenden Motoren. Es ist einfacher, die Verkleidung mit allen Halterungen von einem Modell an das andere zu bauen und die Motoren in den jeweiligen Rahmen zu lassen.
Kickstarter und Anlasser
Die Elektro-Motoren der Anlasser sowie der Anlasserfreilauf sind untereinander völlig unterschiedlich und nicht miteinander kompatibel. Auch die Kickstarter-Mechaniken der Motoren sind unterschiedlich.
Verschleiß am Anlasser-Zahnkranz des Rotax 123
Die Anlasser-Ausrück-Mechanik des Rotax 123 ist gegenüber vernachlässigter Wartung wenig tolerant. Besonders problematisch und häufig gemachte Fehler, die hier zu ernsten Schwierigkeiten führen, sind:
- Zu geringe Batteriespannung
- Schwergängiger Anlasserfreilauf (Dreckig, falsch oder gar nicht geschmiert).
- Verschmutzung von außen (Die Abdeckung des Polrads ist nicht wasser- und staubdicht) oder von Innen (Abrieb nicht entfernt)
- Montagefehler am Polrad
- Kegelverbindung vor Montage nicht gesäubert
- Kaltverschweißung durch falsche Montage
- Keilfeder verschlissen und trotzdem montiert
- Keilfeder falsch eingesetzt und mit Gewalt montiert
All diese Punkte führen dazu, dass der Anlasserfreilauf beim Start nicht ausreichend in den Zahnkranz des Polrades eingreift. Dies führt zu einer Zerstörung des Zahnkranzes auf dem Polrad und des Anlassers.
Problematisch ist dies, da das Polrad als Neuteil derzeit einen Preis im Bereich einer Gebrauchtmaschine hat und viele Gebrauchtteile bereits in einem schlechten Zustand sind. Dieses Thema tritt beim Rotax 122 selten auf und ist generell einfacher zu handhaben, da man am Rotax 122 die Ersatzteiler einfacher bekommt und ein Kickstarter-Umbau wesentlich einfacher ist.
Kickstarter-Umbau
Für einen Umbau auf einen Kickstarter am Rotax 122 kann auf gut verfügbare Ersatzteile (neu oder gebraucht) der Cross-Maschinen zurückgegriffen werden, die mit Kickstarter verkauft wurden. Hier muss lediglich der Kupplungsdeckel getauscht und die Mechanik nachgerüstet werden. Die Welle muss beim Einbau in den RS-125-Rahmen verlängert werden, was für ambitionierte Schrauber kein Problem darstellen sollte.
Beim alten Rotax 123 gibt es eine solche Ersatzteilverfügbarkeit schlichtweg nicht. Die Ersatzteile sind so gut wie gar nicht auf dem Gebrauchtmarkt zu bekommen. Die Kickstarterwelle wird beim 123er-Motor als Hohlwelle auf das Schaltgestänge aufgebaut. Erfahrungsgemäß scheitert ein solches Vorhaben aber daran, dass man die benötigten Teile kaum noch bekommen kann.
Identische Teile
Die beiden Motoren unterscheiden sich nicht bei folgenden Teilen bzw. Baugruppen, diese sind bei Rotax 122 und Rotax 123 identisch:
- Teile der Wasserpumpe: Flügelrad, Kühlwasserschlauchanschluss und Wellendichtringe
- Einlass-Membrane
- Ausgleichswelle, Ausgleichswellenzahnräder und Lager
- Zylinderkopfdeckel und Thermostatbaugruppe
- Membrankasten am Zylinder
- Auslasssteuerung: Ältere Modelle des Rotax 123 bei der AF1 haben einen anderen Auslassschieber, bei der RS 125 sind alle Teile der Auslasssteuerung (Schieber, Gehäuse, Kleinteile, Elektromagnet etc.) identisch.
- Motorlager und Wellendichtringe (bis auf den Dichtring am Schaltgestänge)