Hinweis: Diese Seite ist Teil der RS-125-Werkstattseite meines Internetblogs und steht mit dem Hersteller (Aprilia/Piaggio) in keiner Verbindung. Es handelt sich hier um selbst verfasste Reparaturanleitungen, Hinweise, Tipps und Tricks zur alten Aprilia RS 125 mit Zweitaktmotor bis Baujahr 2012. Dieses Blog wird privat ohne kommerziellen Hintergrund und Nutzen betrieben. Jegliche Haftung für jegliche Schäden, die sich aus den hier veröffentlichten Anleitungen und Daten ergeben könnten, ist generell ausgeschlossen.

« Zurück zur Übersicht


Am Luftfilter gibt es mehrere Themen, die man verändern kann und beachten muss:

  • Druckverlust der Luftfiltermatte
  • Druckverlust der Ansaugmuffe
  • Resonanz des Luftfilterkastens (Resonator)
  • Ansauggeräusch

Beim Tuning am Luftfilter gibt es zwei unterschiedliche Philosophien: Die Änderung hin zu maximal möglichem Durchlass zur Reduzierung des Druckverlusts oder gezielte Nutzung der Resonator-Wirkung mit der Original-Airbox. Das Verringern des Druckverlustes macht sich vor allem bei sehr hohen Drehzahlen (der Druckverlust steigt etwa quadratisch zum Volumenstrom) bemerkbar. Große Leistungssteigerungen sind beim Luftfilter jedoch nicht zu erwarten.

Hinweis: Änderungen am Luftfilter wie auch generell am Ansaugtrakt sind nur zulässig, wenn die Bauteile über eine entsprechende Zulassung verfügen oder die Änderung mit entsprechenden Gutachten zum Geräusch- und Abgasverhalten von einer anerkannten Prüfstelle abgenommen und eingetragen werden. Ersteres gibt es kaum und letzteres ist ebenfalls kaum möglich, daher führen solche Änderungen ohne entsprechende Zulassung zum Erlöschen der Betriebserlaubnis.

Filtermatte tauschen

Optimieren kann man den Original-Luftfilter durch Tausch der Filtermatte durch eine Filtermatte mit einem geringeren Strömungswiderstand. Passende Luftfiltermatten gibt es von TwinAir, Polini oder Pipercross, auch andere Hersteller bieten universell passende Filtermatten an. Auch die serienmäßig verbaute Luftfiltermatte tut ihren Dienst eigentlich sehr gut (Thema: Serienzustand pflegen).

Resonator-Funktion eines Luftfilterkastens

Der Luftfilterkasten ist ein dynamisches System mit einer Eigenfrequenz, bei dem Schwingungen im Luftfilter gezielt genutzt werden. Sobald die Gasmenge, die zum Vergaser strömt, nach dem Ansaugvorgang des Motors geringer wird, drückt die bewegte Luftmasse durch ihre Trägheit in den Rohren der Ansaugmuffe auf das Luftvolumen im Luftfilterkasten und erhöht so den Druck für den nächsten Ansaugvorgang. Man spricht von einem Resonator. Durch diese Bauweise wird die Energie, die sonst in Form von hörbarem Ansauggeräusch als Druckwellen den Luftfilter verlassen, genutzt und eine deutliche Geräuschreduzierung erreicht.

Der Luftfilterkasten lässt sich näherungsweise mit den Formeln eines Helmholz-Resonator beschreiben, die Resonanzfrequenz f wird aus Schallgeschwindigkeit c, Luftfiltervolumen V sowie Länge L, hydraulischer Durchmesser d (eines Rohres) und Gesamtquerschnitt A der Ansaugmuffe wie folgt berechnet:

f = c / 2 / π ⋅ sqrt(A / V / (L + 0.8 ⋅ d))

Daraus geht hervor, wie sich die Resonanzfrequenz f, die das dynamische Verhalten der Airbox beschreibt, verschiebt: Sowohl den Querschnitt A der Ansaugmuffe zu erhöhen als auch die Länge L zu verkürzen führt zu einem Anstieg der Resonanzfrequenz.

Die Ansaugmuffe ganz zu entfernen („entschnorcheln“) ist nicht zu empfehlen, da das Motorrad dann auffällig laut wird und deutlich schlechter läuft, es sind Leistungsverluste von ca. 1,5 kW (2 PS) messbar [1]. Nach meiner persönlichen Meinung klingt es auch nicht besonders erwachsen.

Original-Ansaugmuffe optimieren

Die Serien-Ansaugmuffe hat zwei Öffnungen mit einem Querschnitt von etwa insgesamt 690 mm² an der kleinsten Stelle. Der kleinste Querschnitt im 28-mm-Vergaser beträgt 615 mm², im 34-mm-Vergaser aber 908 mm². Für den 34-mm-Vergaser ist eine Änderung der Ansaugmuffe für den Bereich hoher Drehzahlen sinnvoll.

Den Querschnitt kann man relativ einfach erhöhen, indem man den vorderen Teil der Ansaugmuffe abtrennt und die Muffe andersherum in den Luftfilter einsetzt. Der kleinste Querschnitt beträgt dann etwa 1200 mm², die Luftmasse in der Ansaugmuffe ist dadurch etwas verringert aber noch vorhanden.

Wie bereits beschrieben, führt diese Maßnahme dazu, dass sich die Resonanzfrequenz des Luftfilters stark erhöht, es kann zu einem spürbaren Leistungsverlust in niedrigen Drehzahlen kommen.

Ansaugmuffe austauschen

Einige Tuner haben mittlerweile Ansaugmuffen im 3D-Drucker selbst hergestellt, die man anstelle der originalen Ansaugmuffe einsetzen kann, diese Ansaugmuffen gibt es z. B. von Abstract Racing oder Morley Designs. Diese Ansaugmuffen haben einen extrem großen Querschnitt.

Hartrusion-Ansaugmuffe

Eine von mir selbst entwickelte Ansaugmuffe, ebenfalls für den 3D-Drucker, besteht wie das Original-Teil aus zwei Rohren und benutzt zwei Ansaugtrichter am Einlass. Der Querschnitt je Rohr beträgt 680 mm², insgesamt also 1360 mm². Die Form ist durch den geringen Bauraum am Luftfilter gekrümmt, um auch bei heruntergeklapptem Tank die Luft frei ansaugen zu können.

Die Ansaugmuffe versucht die Resonator-Frequenz möglichst auf der Frequenz des Serienluftfilters zu halten. Da der Querschnitt wesentlich größer ist, musste die Länge der Muffe entsprechend erhöht werden, was bei dem begrenzten Bauraum wenig Möglichkeiten lässt.

Durch die Länge der Muffe ist das Ansauggeräusch weiterhin leise, erste Tests bestätigen auch die weiterhin funktionierende Resonator-Funktion mit einer guten Leistungsentfaltung im niedrigen und mittleren Drehzahlbereich. Im hohen Drehzahlbereich konnte damit keine Verbesserung festgestellt werden.

Die seltsam anmutende Form ist ausschließlich durch den Versuch bedingt, den vorhandenen Bauraum optimal auszunutzen ohne Arbeiten an anderen Teilen notwendig zu machen.

Die Ansaugmuffe muss aus flexiblem Material wie z. B. TPU (weicher als 95A) gedruckt werden und kann Plug-&-Play in den Luftfilterkastendeckel eingesetzt werden.

Die STL-Datei zum Selbstdrucken kann hier heruntergeladen werden:

Das innere, abgeflachte Ende der Ansaugmuffe wird auf dem Druckbett platziert, die Laschen sowie die vordere Unterseite der Trichter müssen dann auf einer Seite abgestützt werden. Nach Möglichkeit sollte kein Stützmaterial zwischen die Laschen gedruckt werden, da sich das schlecht entfernen lässt.

Für den Druck muss unbedingt ein weiches TPU verwendet werden, einfache TPU-Filamente mit 95A-Härte sind noch zu hart. In der Regel wird ein Drucker mit Direktextruder verwendet. Meine Druckeinstellungen mit einem möglichen Filament findet ihr im Artikel zum Anycubic 4Max Pro 2.0.

Wer nicht selbst drucken kann, kann die Ansaugmuffe hier bei Scooterprintparts24 / Normengineering kaufen.

Referenzen

[1] EEKNOWS, “Airboxes R vs SP,” TZR Forum, Jan. 21, 2013. http://pure2strokespirit.net/forums/index.php?topic=512.msg5023#msg5023 (accessed May 29, 2021).

Beteilige dich an der Unterhaltung

7 Kommentare

Schreibe einen Kommentar zu David Mertes Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

  1. Hallo Viktor,

    Gibt es die Möglichkeit ein Step Modell oder gar ein Solidpart/Catpart von deiner Ansaugmuffe zu bekommen ? Da mein 3D Drucker leider (noch) nicht geeignet ist TPU zu drucken würde ich gerne eine gesplittete version konstruieren die auch aus herkömlichem PLA/PETG etc. realisierbar ist. Ausserdem hätte ich dann eine Idee in welchem Bauraum ich experimentieren kann mit eigenen Designs (Mir schwebt schon länger die Idee einer Variablen Ansaugung im Kopf herum. )

    Ich habe die letzte Woche versucht mit und ohne Muffe zu fahren und kann nur bestätigen, das ohne ein deutlicher Leistungsverlust im oberen Drehzahlbereich zu spüren ist. Komischerweise läuft sie dafür im Mittleren Drehzahlbereich besser. Was ich aber darauf zurückführe, dass sie nicht mehr so verfettet durch den Arrow/Gianelli.

    Mit freundlichen Grüßen

    David

    1. Moin, ja, die Möglichkeit gibt es aber ich würde das nicht empfehlen. Wenn man den Tank hochklappt und der Benzinschlauch im Weg ist, sollte der Trichter flexibel sein. Passt auch nicht immer alles 100%ig, der Luftfilter kann ja auch an verschiedenen Positionen montiert werden. Es ist aus dem Modell nicht ersichtlich, an welchen Stellen man den Bauraum trifft, ich habe da viel ausprobiert und wenig gemessen, besser wäre das andersherum gewesen. Da taugt das Teil nicht als Referenz.
      Das Modell nutzt an Leitkurven ausgetragene Profile mit Start- und Zielskizzen im Raum, das ist zwar einigermaßen parametrisch aber SolidWorks 2018 kommt da schon an seine Grenzen, wenn man da einfach etwas ändert, gibt es schnell selbstschneidende Konturen oder solche Dinge, da kann man recht wenig ausprobieren. Teilen ist mit SW tatsächlich schwieriger als mit Slicer-Software beim Drucken, wenn du das aus PLA drucken möchtest, teile es einfach beim Drucken, das geht bei STL-Dateien tatsächlich sehr einfach.
      Wenn ich daran denke, werde ich hier die nächsten Tage noch die Solidworksdatei veröffentlichen, muss die aber vorher etwas aufräumen 😉

      1. Super, vielen Dank.

        Es geht mir eher darum eine Vorlage zu haben ich einfacher messen kann als in der STL. Ich möchte es gerne so konstruieren, dass es sauber gesteckt werden kann um eine gewisse Dichtheit zu erreichen und einen sauberen Übergang zu gewährleisten also nicht stumpf in zwei sägen. Das Solidworks dafür nicht optimal ist weiß ich, da ist Catia interresanter. Habe beides zur Verfügung durch die Arbeit.

        Hast du zufällig mal das Volumen der Airbox ermittelt ? Falls nicht mache ich das mal am Wochenende. Würde gerne eine gewisse Berechnungsgrundlage schaffen.

        Bezüglich Bauraum versuche ich meinen Vorgesetzten schon eine Weile zu einem tragbaren 3D Scanner zu bewegen (natürlich vollkommen uneigennützig 😉 ). Falls es dann mal soweit ist kann ich die Daten selbstverständlich zur verfügung stellen, das würde das Konstruieren im Motorbereich um Welten einfacher machen.

  2. Guten Morgen Viktor,
    ich habe mir vor 2 Jahren eine 2008 RS125 Modell RM zugelegt. Danach habe ich das Moped komplett überarbeitet, wobei mir Dein Wissen, das Du hier teilst sehr behilflich war. Bevor ich das Moped in Betrieb genommen habe nahm ich noch die üblichen Wartungsarneiten, wie Oelwechsel, Auslassschieber gangbar machen, Vergaser Ultraschallreinigen etc. vor. Die Aprilia läuft richtig gut. Sie stottert nicht, nimmt ordentlich Gas an und der Leerlauf hält konstant auf 1400 Umdrehungen. Mein Problem ist, dass wenn ich die Aprilia eine Woche lang nicht bewege enorme Startprobleme habe. Ich muss ewig orgeln. Sobald ich aber regelmäßig damit unterwegs bin funktioniert der Start tadellos. Ich habe schon einiges ausprobiert aber nichts hat geholfen. Hättest Du noch eine plausible Erklärung für dieses Phänomen?
    Vielen Dank für Deine Hilfe.
    Gruß
    Sven

    1. Moin, ich kann dir leider nur sagen, dass ich das Problem auch habe und keine gute Erklärung dafür habe. Ich vermute, dass sich Teile des Benzins im warmen Motor langsam verflüchtigen und verdampfen und beim ersten Start sehr viel zerstäubtes Benzin im Kurbelgehäuse sich niederschlägt. Unerklärlicherweise unterscheidet sich bei mir mit dem Vergaser. Beim VHST 28 ist es schlimmer als beim PHBH 28, beim VHSB 34 hatte ich nie Probleme. Beim VHST 28, den ich aktuell verbaut habe, habe ich die Starterdüse testweise von 60 auf 100 getauscht, damit wurde es erst besser, ist aber noch zu fett. Tipp: Immer nur kurz „orgeln“, da die ersten Umdrehungen der Kurbelwelle besonders viel Benzin aus der Starterdüse ziehen. Sollte sie zu wenig Benzin haben, springt sie so schneller an als beim Dauer-Orgeln 😉

  3. Servus,

    kurze Frage zum Ansaug- bzw. Fahrgeräusch der RS125 (MP).
    Mir ist aufgefallen, dass diese so eine Art „Pfeifen“ beim Fahren entstehen lässt! Ich habe die RS125 (MP), Baujahr 96 mit dem Chesterfield Aufklebern
    Und nein, es ist nichts kaputt oder Sonstiges 🙂
    Weißt du vielleicht, wo dieses typische Pfeifen von der Aprilia herkommt bzw. wie man dieses sogar verstärken könnte?
    Hört sich ähnlich wie eine Turbine an… würde diese Geräusch gerne sogar noch etwas verstärken

    Würde mich sehr freuen, wenn du mir hierzu eine Antwort geben könntest.

    Viele Grüße,
    Markus

    1. Moin, die Frage hat mir tatsächlich schon einmal jemand gestellt. Ich kenne bisher nur wenige Quellen von „Pfeifen“: Defekte Ausgleichswellenzahnräder, Getriebeschaden oder die Kette. Das ist jetzt nichts, was man absichtlich verstärken will 😉
      Grüße, Viktor