Dieser Artikel ist Teil des Aprilia-RS-250-Werkstatttagebuchs.
Nach nun neun Jahren Stillstand gab es nach einigen Umzügen und Lebensabschnitten die Gelegenheit, weiter am RS-250-Projekt zu arbeiten. Studium, Berufswechsel und damit verbundene ungeeignete Mietwohnungen an verschiedenen Stellen quer durch Deutschland waren der Grund, weshalb es über Jahre keinen Fortschritt mehr am Projekt gab. Die RS 250 stand nun über diese Zeit bei meinen Eltern abgedeckt in der Scheune, die Einzelteile in Kisten verpackt.
Für den Transport wurde die Vorderradbremse damals notdürftig mit Bremsflüssigkeit befüllt (es ist eine Zumutung, ein Motorrad ohne Bremsen Treppen oder Hänge hinauf oder hinunter zu schieben) und so belassen. Interessant ist, was nach neun Jahren mit der Bremse passierte: Es bildeten sich geleeartige Kristalle am Bremsflüssigkeitsbehälter, einige Stellen der Bremsleitungen waren korrodiert.
Mir war damals schon aufgefallen, dass es am T-Stück kaum möglich war, die Hydraulikleitungen abzudichten, daher wurde die ganze Bremse wieder ausgebaut. Die Ursache dafür ist offensichtlich, wenn man die Dichtflächen am T-Stück mit feinem Schleifpapier kurz abschleift.
Mit diesen tiefen Riefen ist es auch mit weichen Dichtringen kaum möglich, die Verschraubungen an den Hydraulikleitungen unter Einhaltung des vorgegebenen Anzugsdrehmoments dicht zu bekommen. Die Dichtfläche wurde mit Schleifpapier auf einer Glasplatte von Hand plan geschliffen.
Es zeigt sich auch, was passiert, wenn Edelstahlschrauben über 9 Jahre mit kupferbasierter Anti-Seize-Paste in Aluminiumgewinden stecken: Nichts. Die Schrauben ließen sich wunderbar öffnen, kein Vergleich zu dem Aufwand, den ich beim ersten Mal hatte. Ich hatte mittlerweile einige Horrorvisionen in einigen Internetforen zum Thema kupferbasierte Pasten in Aluminiumgewinden lesen können, diese Probleme kann ich jedoch nicht bestätigen. Es wird dennoch zukünftig mit aluminiumbasierter Anzi-Seize-Paste gearbeitet.
Die hintere Bremspumpe fühlte sich etwas schwergängig an, diese hatte ich seit dem Kauf aber nicht angefasst. Hier hatten sich auch etliche feste Ablagerungen gebildet, eine Funktion der Bremspumpe war letztendlich nicht mehr gegeben, da die kleinen Bohrungen zum Ausgleichsbehälter zugesetzt waren. Daher auch hier: In alle Einzelteile zerlegen und gründlich säubern.
Für die Montage und Entlüftung der Bremsen wird bei der Hinterradbremse die Fußrastenanlage benötigt. Diese hatte ich seither nur provisorisch zusammengebaut, auch das wird nun erledigt. Die Schrauben vom Schaltgestänge waren gut festkorrodiert (hier war eben keine Anti-Seize-Paste verwendet) und an anderen Stellen mussten die Gewinde nachgeschnitten werden.
Das Ergebnis kann sich einigermaßen sehen lassen. Das ist der typische Kleinkram, bei dem man die ganze Arbeit eigentlich gar nicht vermutet, der aber trotzdem irgendwie anfällt.
Das Entlüften der Bremsen ist mit Abstand die lästigste Arbeit, die hier noch zu erledigen ist. Die Bremsen waren wegen des Zerlegens bereits komplett leer.
Bremsen entlüften
Ich nutze nun alte Elektroleitungen (einadrig), um einen passenden Schlauch von der Entlüftungsschraube am Bremssattel zum Bremsflüssigkeitsbehälter zu führen und dort so befestigen, dass die Flüssigkeit wieder in den Behälter läuft. So lässt sich die Bremsflüssigkeit ohne zusätzliches Werkzeug von den Entlüftungsschrauben direkt zurück zum Bremsflüssigkeitsbehälter pumpen.
Ich gehe nun wie folgt vor:
Zuerst bleiben oder werden die Bremssattel mit Belägen auf der Scheibe montiert oder mit passendem Werkzeug blockiert, sodass die Bremskolben nicht zu weit aus den Sätteln kommen können.
Um den Ausgleichsbehälter herum wird bei der Vorderradbremse alles mit Tüchern (die blauen Reinigungstücher von der Rolle) abgedeckt, sodass keine Bremsflüssigkeit auf andere Teile tropfen kann. Das Zeug ist einfach ekelhaft.
Die neue Bremsflüssigkeit wird oben in den Ausgleichsbehälter gefüllt, die Entlüftungsschraube geöffnet. Möglicherweise fließt die Flüssigkeit schon jetzt durch das System, das ist aber nicht immer der Fall. Sobald etwas Flüssigkeit aus der Entlüftungsschraube kommt oder sich gar nichts tut, wird mit folgenden Schritten die Bremsflüssigkeit durch das System gepumpt:
- Entlüftungsschraube schließen
- Bremse mit wenig Kraft betätigen, entweder komplett durchdrücken oder bis leichter Widerstand durch Druckaufbau spürbar ist
- Entlüftungsschraube etwas öffnen, Bremsflüssigkeit und Luft entweichen lassen, dabei den Bremshebel bis zum Ende drücken und dort halten.
- Entlüftungsschraube schließen
- Bremshebel wieder loslassen (die Flüssigkeit wird bei der Rückbewegung am Bremskolben nun hineingezogen).
- Bremse mit wenig Kraft betätigen, ….
Dabei kann es sein, dass die Kolben der Bremse bereits etwas heraus gedrückt werden, es muss sicher gestellt sein, dass diese dadurch nicht herausfallen. Die erste Flüssigkeit lasse ich noch in einen Abfallbehälter laufen, erst wenn die alten Reste herausgespült sind, wird der Schlauch von der Entlüftungsschraube zum Bremsflüssigkeitsbehälter geführt. Ich wiederhole das nun etwa 10-15 Mal, bis deutlich weniger Luft aus der Entlüftungsschraube gedrückt wird.
Sinkt der Füllstand im Ausgleichsbehälter, wird Bremsflüssigkeit nachgefüllt.
Im nächsten Schritt werden die Bremssättel abmontiert und alte Bremsbeläge eingesetzt. Ich stecke nun einen Schraubenschlüssel zwischen die Bremsbeläge und pumpe durch mehrfaches Betätigen der Bremse, bis der Schraubenschlüssel eingeklemmt ist. Anschließend wird die Entlüftungsschraube geöffnet und die Kolben werden mit dem Schraubenschlüssel bei geöffneter Entlüftungsschraube wieder zurück gedrückt, die Bremsflüssigkeit wird durch den Schlauch wieder in den Bremsflüssigkeitsbehälter geleitet. Dabei muss der Bremssattel so gehalten werden, dass die Entlüftungsschraube oben ist, dann befinden sich die Bohrungen in den Zylindern hinter den Bremskolben auch oben und so kann die Luft aus den Zylindern heraus gedrückt werden. Bei der Vorderradbremse mache ich das 5 bis 10 Mal an jeder Seite.
Das oben beschriebene Verfahren wird nun noch ein paar Mal wiederholt (ca 10-25 Mal), bis die letzten Luftblasen heraus sind und die Bremse einen guten Druckpunkt hat.
Weitere Kleinteile
Als Batterie habe ich nun eine Shido LTX4L-BS Lithium-Batterie verbaut, diese wird bei Polo gern mit dem Ladegerät Hi-Q PM3500 verkauft. Es kam nun sowohl bei der RS 125 als auch bei der RS 250 vor, dass nach einigen Wochen Stillstand die eigentlich neuen, geladenen Batterien überhaupt keine Spannung mehr hatten und das PM3500 diese auch nicht mehr laden wollte (das Ladegerät bleibt einfach aus). Beim Auto hingegen bin ich vom PM3500 überzeugt aber dafür wurde es eigentlich nicht gekauft. Bei Polo Motorrad ist man der Meinung, dass die Batterie beschädigt wurde, da das Motorrad nicht für diese Batterie freigegeben wurde – dass der Motor nie lief, interessiert die laufenden Nullen vom Support nicht.
Einen Original-Luftfilter sowie eine neue Kette von RK wurden auch verbaut. Bei der Kette hatte ich die Hoffnung, dass das Orange zu dem Schriftzug auf der Verkleidung passt, der Schriftzug ist aber eher „gelb“ und die RK-Kette hat ein Neon-Orange, es sieht aber weniger dramatisch aus, als es klingt.